Die Fraktion Die Linke hat am 6. Juli 2022 einen Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung von Cannabis in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 20/2579). Damit kommt sie SPD, Grüne und FDP zuvor, da sie aufgrund inhaltlicher Differenzen eine Verzögerung bei der Ausarbeitung eines geeigneten Konzepts durch die Koalitionsfraktionen fürchtet. Der Entwurf sieht gem. §§ 31a und 29 Abs. 5 BtMG ein Absehen von Strafe bei geringer Schuld und fehlendem öffentlichem Interesse vor.
Zusätzlich soll ein § 29b BtMG eingeführt werden, der die „geringe Menge“ bundeseinheitlich festlegt und in deren Rahmen der Besitz und der Anbau von Cannabis erlaubt ist. Wer die geringe Menge von 30g bis max. 180g überschreitet, handelt ordnungswidrig. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 EUR geahndet werden.
„§ 29b – Recht auf Besitz und Ordnungswidrigkeiten
(1) Volljährigen ist der Erwerb und Besitz von bis zu 30 g Cannabis oder Cannabisharz im Sinne der Anlage 1 zu diesem Gesetz erlaubt.
(2) Der Anbau von bis zu drei weiblichen Cannabispflanzen für den persönlichen oder gemeinschaftlichen Eigenbedarf im Bereich des befriedeten Besitztums des oder der Anbauenden ist erlaubt. In diesem Bereich ist auch das Aufbewahren einer Jahresernte von bis zu drei Pflanzen oberhalb der in Absatz 1 genannten Grenze zulässig.
(3) Anbau und Aufbewahrung müssen für Kinder und Jugendliche unzugänglich erfolgen.
(4) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates
1. nähere Anforderungen an das befriedete Besitztum festzulegen,
2. Vorgaben für den Anbau und die Aufbewahrung von Cannabis zu machen.
(5) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne Erlaubnis mehr als 30 Gramm, aber höchstens 180 Gramm Cannabis besitzt. Ordnungswidrig handelt ebenfalls, wer ohne Erlaubnis im Bereich des befriedeten Besitztums eine Jahresernte von mehr als drei Cannabispflanzen aufbewahrt oder mehr als drei weibliche Cannabispflanzen anbaut, aber eine Jahresernte von höchstens 18 Cannabispflanzen aufbewahrt oder höchstens 18 weibliche Cannabispflanzen anbaut. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 25.000 € geahndet werden.“
Am 15. März 2023 fand im Gesundheitsausschuss eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Beraten wurde neben dem Gesetzentwurf der Linksfraktion auch ein Antrag der Fraktion CDU/CSU für eine bessere Patientenversorgung mit Medizinalcannabis (BT Drs. 20/5561).
Die Experten waren sich einig, dass der Zugang zu Medizinalcannabis vereinfacht werden müssen. Der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken beklagte, dass nur etwas zwei Drittel der Anträge auf Zugang zu Medizinalcannabis positiv beschieden würde. Johannes Horlemann von der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin wies zudem auf die fehlende Sachkenntnis unter Ärzten hin.
Hinsichtlich der Entkriminalisierung von Cannabis waren sich die Experten jedoch fast alle einige, dass der Entwurf der Linksfraktion hierzu nicht vollends geeignet sei. Robin Hofmann von der Universität Maastricht in den Niederlanden gab zu bedenken, dass das Vorhaben des Entwurfs weder mit dem Völkerrecht, noch mit dem Europarecht zu vereinen sei. Ferner stelle sich die Frage, wie bei der Einstufung einer Menge von 30 Gramm Cannabis als geringfügig noch zwischen Konsumenten und Händlern unterschieden werden solle. Eine Legalisierung sei letztendlich einer Entkriminalisierung vorzuziehen. Justus Haucap nahm in seiner Stellungnahme Bezug zum Schwarzmarkt. Dieser sei mit einer Entkriminalisierung alleine nicht zurückzudrängen. Allerdings lasse sich bei Polizei, Justiz und Strafvollzug eine geschätzte Kosteneinsparung von rund 1,3 Milliarden Euro pro Jahr erzielen. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter begrüßte im Grundsatz eine Entkriminalisierung von Cannabis, der Entwurf der Linksfraktion sei dahingehend aber noch etwas zu vage. Bei einer möglichen Legalisierung sollte allerdings der gesamte Herstellungs- und Vertriebsprozess legalisiert und kontrolliert werden. Hinsichtlich des Schwarzmarktes äußerte der BDK ebenfalls Bedenken. Dealer seien immer in der Lage, Drogen billiger anzubieten als offizielle Stellen. Der Deutsche Hanfverband und der Suchtforscher Heino Stöver sprachen sich für eine Entkriminalisierung von Cannabis aus, allerdings als eine Art Übergangslösung. Stöver betonte, dass damit der Schaden für die Gesellschaft und jeden Einzelnen reduziert werden könne, solange es noch kein Gesetz gebe, dass eine Legalisierung in vollem Umfang regele. Der DHV schilderte in seiner Stellungnahme in dem Zusammenhang, wie belastend ein Ermittlungsverfahren für den Konsumenten sein könne. Neben einer Hausdurchsuchung und Telekommunikationsüberwachung müsse auch mit erniedrigenden Leibesvisitationen gerechnet werden.
Quelle: KriPoZ, Kategorie/gesetzentwuerfe/betaeubungsmittelrecht-gesetzesentwuerfe/legalisierungsdebatte-gesetzentwuerfe/
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