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Abgrenzung straflose Vorbereitung und Versuch bzw. Vollendung beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Der 5. Strafsenat des BGH hat sich in einer aktuellen Entscheidung mal wieder mit der Abgrenzung zwischen strafloser Vorbereitung und Versuch bzw. Vollendung beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln befasst. Weil es sich beim Handeltreiben nach ganz herrschender Meinung um ein unechtes Unternehmensdelikt handelt, liegt beim Überschreiten der Schwelle zum Versuchsbeginn bereits ein vollendetes Handeltreiben vor. Die Abgrenzung ist seit langem umstritten, auch weil es damit faktisch keinen Rücktritt vom Versuch gibt.

Nach sehr kontroversen Diskussionen in Rspr. und Literatur entschied der Große Senat des BGH für Strafsachen am 26.10.2005, es reiche für eine Vollendung des Handeltreibens bereits aus, dass der Täter in ernsthafte Verhandlungen über den Ankauf von zum gewinnbringenden Absatz bestimmten Betäubungsmitteln mit einem potentiellen Verkäufer eintritt (BGHSt. 50, 252 = NJW 2005, 3790). Seitdem ist es um das Thema etwas ruhiger geworden.

Der 5. Strafsenat des BGH hat wieder Leben in den Streit gebracht. Es geht um die Frage, ob allein der Erwerb von Setzlingen zum Zwecke des anschließenden Anbaus, mit dem Marihuana zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs erzielt werden soll, bereits Handeltreiben ist. Der 5. Strafsenat hat dies (wie bereits mit Beschluss vom 15.3.2012) verneint (BGH Beschl. v. 27.5.2021 – 5 StR 337/20, BeckRS 2021, 15382):

„Die Aufzucht von Cannabispflanzen erfüllt den Tatbestand des Handeltreibens, wenn der Anbau auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 StR 491/10, NJW 2011, 1461; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99, 101 mwN). Allein der Erwerb von Setzlingen zum Zweck des anschließenden Anbaus stellt dabei aber noch keine auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit dar (BGH, Urteil vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514; vgl. MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, 3. Aufl., BtMG § 29 Rn. 455; aA Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 198; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 598; Patzak, NStZ 2012, 514, 515; Patzak/ Goldhausen, NStZ 2014, 384; offengelassen von BGH, Beschlüsse vom 15. Februar 2011 – 3 StR 491/10, NStZ 2011, 459, 460, und vom 29. September 2016 – 2 StR 591/15). In derartigen Fällen entfaltet vielmehr der (verdrängte) Straftatbestand des Anbaus von Betäubungsmitteln insoweit eine Begrenzungsfunktion für den Tatbestand des Handeltreibens, als er den Versuch erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Aussaat oder zum Anpflanzen beginnen lässt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. August 2011 – 2 StR 228/11, NStZ 2012, 43, und vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514), wobei sich die Abgrenzung zwischen Vorbereitungsstadium und Versuch nach allgemeinen Kriterien anhand der Umstände des Einzelfalls richtet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Februar 2011 – 3 StR 491/10 aaO; vom 3. August 2011 – 2 StR 228/11, NStZ 2012, 43, und vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514, 515). Eine Vollendung des Handeltreibens tritt regelmäßig erst mit dem Anbau in Verkaufs- und Gewinnerzielungsabsicht, also mit Anpflanzung der Setzlinge ein (vgl. BGH, Beschluss vom 3. August 2011 – 2 StR 228/11, aaO; BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99, 101), denn der (vollendete) Anbau erfordert das Einpflanzen der Setzlinge in die dazu bestimmten Gefäße (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, 9. Aufl., BtMG § 29 Teil 2 Rn. 24; Weber, 5. Aufl., BtMG § 29 Rn. 54; MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, 3. Aufl., BtMG § 29 Rn. 23).

Nach diesen Maßstäben belegen die Feststellungen eine Vollendung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht. Die Setzlinge befanden sich zwar bereits im Flur des Hauses, waren aber noch nicht zur Anpflanzung in die hierfür vorgesehenen Pflanzbänke bzw. Pflanzschalen gelangt. Ob die Schwelle zum Versuch bereits überschritten wurde oder – wie der Generalbundesanwalt meint – lediglich eine Verbrechensverabredung vorliegt, lässt sich den auf eine andere rechtliche Bewertung abzielenden Urteilsfeststellungen nicht hinreichend entnehmen.“

Wie Sie der Entscheidung entnehmen können, gehen auch hier die Meinungen in der Literatur auseinander. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass bereits durch den Erwerb der Setzlinge ein konkretes Umsatzgeschäft mit Betäubungsmitteln mit dem Ziel des Weiterverkaufs getätigt wurde, so dass im vorliegenden Fall die Schwelle zum vollendeten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln eindeutig überschritten ist (so z.B. auch Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 598; aA vgl. Oğlakcıoğlu in MüKo-StGB, 3. Aufl., BtMG § 29 Rn. 455).

Auch der 2. Strafsenat hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 angedeutet, möglicherweise eine andere Auffassung zu vertreten (BGH Urt. v. 29.9.2016 – 2 StR 591/15, BeckRS 2016, 21440):

„Sollten die Setzlinge erst nach ihrer Einpflanzung in die Plantage eingegangen sein, läge das von dem Landgericht angenommene vollendete Handeltreiben vor. Sollten die Setzlinge hingegen schon vor dem Einbringen in die Pflanzerde eingegangen sein, wäre die Entscheidung des 5. Strafsenats in den Blick zu nehmen, wonach es sich bei der Übernahme und dem Transport von Setzlingen fernab der Plantage nur um eine straflose Vorbereitungshandlung handeln soll (so BGH, Urteil vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514; dagegen mit beachtlichen Argumenten Körner/Patzak/Volkmer-Patzak, BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 198; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 587; Hügel/Junge/Lander/Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht, 8. Aufl., § 29 BtMG S. 19 f.; Patzak, NStZ 2012, 514, 515). Dabei wäre auch zu bedenken, dass sich die Setzlinge hier – anders als in dem der Entscheidung des 5. Strafsenats zugrundeliegenden Fall – nicht fernab der bereits komplett ausgestatteten Plantage befanden, sondern jedenfalls in diese bereits eingebracht waren. Ob der Senat dieser Rechtsprechung des 5. Strafsenats in allen Punkten folgen würde, bedarf derzeit keiner Entscheidung.“

Man darf also gespannt sein, wie sich die anderen Strafsenate positionieren werden…

Quelle: von Dr. Jörn Patzak, Beck-blog, veröffentlicht am 27.06.2021

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